Die Toten am Lyngbysee by Hastrup Julie

Autor:Hastrup, Julie
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783492967532
Herausgeber: Piper
veröffentlicht: 2014-09-29T16:00:00+00:00

* * *

Der Immobilienmakler von Home würde morgen Vormittag kommen, was bedeutete, dass das Haus auf Hochglanz gebracht werden musste. Es sollte so schnell wie möglich verkauft werden, damit sie ihre Finanzen in den Griff bekamen. Die Finanzkrise und die Stagnation auf dem Immobilienmarkt drohte sie finanziell zu ruinieren. Die Handwerker waren eifrig dabei, das neue Haus instand zu setzen, und die Ausgaben mehrten sich – die Böden von Dinesen hatten das Budget bereits gesprengt. Sie hatte es Christian noch nicht gesagt. Es würde ihn nicht freuen.

Tessa Bonfils seufzte tief, setzte die Stirnlampe auf und schlug vom Parkplatz aus den Weg ein, der zum See hinunterführte. Der Frost biss ihr in die Wangen, und die Kälte drang bereits durch die vielen Lagen Kleidung. Der Schnee knisterte unter ihren Füßen, und sie war ganz in ihre Gedanken versunken, als eine Gestalt aus der Dunkelheit auftauchte. Sie zuckte zusammen und trat ein wenig zur Seite, während sie auf dem schmalen Weg aneinander vorbeigingen. Der Puls hämmerte in ihrem Hals, und sie eilte weiter. Als sie sich ein paar Meter entfernt hatte, warf sie schnell einen Blick über die Schulter und stellte erleichtert fest, dass der Mann verschwunden war. Sie war wieder allein.

Sie atmete tief durch. Sonntagabends war es immer am schlimmsten. Vor ihr lag eine neue Woche mit dem ewigen Puzzlespiel, das jeden Montag aufs Neue begann: zwei Vollzeitjobs, drei Schulkinder mit Hausaufgaben und Hobbys und ein gesellschaftliches Leben – und alles musste irgendwie miteinander in Einklang gebracht werden. Am Dienstag musste sie darüber hinaus ihre Unternehmensanalyse vorlegen und auf deren Grundlage der Firmenleitung ihre Vorschläge für Rationalisierungsmaßnahmen unterbreiten. Victor musste vom Eishockey abgeholt werden, und Anna-Luccas Ballettschule hatte eine Aufführung. Christian hatte keine Zeit, weder für das eine noch für das andere, da in der Firma eine Vorstandssitzung anberaumt worden war. »Könntest du Mats in die Augen sehen, wenn ich nicht komme?« Nein, das könnte sie nicht, doch was sollte sie tun? Ihr eigener Chef sah sie bereits seltsam an, wenn sie sich kurz nach vier am Nachmittag mit roten Wangen verdrückte. »Sag mal, Tessa, wie viele Kinder hast du eigentlich?« »Drei«, flüsterte sie, während sie sich mit einem entschuldigenden Gesichtsausdruck aus der Tür schlich.

Tessa war unten am See angekommen. Er lag mit seiner glatten, schwarzen Oberfläche vor ihr. Das Licht der Stirnlampe glitt über den verschneiten Weg. Sie sah sich um. Sie war allein, nur von nackten, hohen Bäumen und einer Dunkelheit umgeben, die jede Sekunde dichter zu werden schien. Sie begann langsam zu laufen und stellte fest, dass der Weg am Lyngbysee spiegelglatt war. In der Nacht hatte es geregnet, gegossen nahezu. Sie wusste das, weil sie wieder einmal mit Atembeschwerden aufgewacht war. Trotzdem steigerte sie das Tempo. Jetzt musste sie nur noch ihre Gedanken unter Kontrolle bekommen, und Laufen war gewöhnlich die beste Medizin. Laufen war die Zeit, die sie für sich hatte – ihr ganz eigener Bereich.

Sie sprintete los. Die Abendluft war voller Schneeflocken. Tessa hörte ihre neuen Laufschuhe auf der gefrorenen Erde aufschlagen. Normalerweise entspannte sie

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